Locas In Love - Saurus [Sitzer / Virgin / EMI]

Um ehrlich zu sein: So richtig hatte ich mich für Gitarrenpop aus Köln bisher eigentlich nicht interessiert. Auch die Locas In Love machten da keine Ausnahme. Auch, wenn ich sie mal mehr oder weniger zufällig irgendeinen Supportgig spielen sah, wurde die Anteilnahme nicht größer. Sie waren halt dabei, sie waren nett, mehr blieb nicht hängen. So ging das eine ganze Zeit. Doch irgendwann fing es an, in Köln zu rumoren. Dass es die Locas jetzt wissen wollen, hieß es, von einem neuen, mainstreamigeren Bandprojekt war die Rede, und überdies noch von einer szenefremden neuen Sängerin. Huch! Da störte doch jemand die untergründige Gemütlichkeit der kleinen Kölner Rockschuppen, und zu allem Überfluss waren das auch noch einige ihrer präsentesten Protagonisten. Es wurde spannend. Die neue Band, Karpatenhund, fing an aufzutreten, bekam erste Aufmerksamkeit und bald darauf einen umsichtig ausgehandelten Majorplattenvertrag. Inklusive einer Albumproduktion in den USA, unter der Regie von Starproduzent Peter Katis (Interpol, The National, Spoon). Und was machte die alte Band, die Locas, aus der Karpatenhund ja zu 4/5 bestand? Sich aufzulösen? Nein. Sie arbeitete als Karpatenhund einfach so effizient, dass statt einer Produktion gleich zwei drin waren. Die zweite für die Locas. So geht jedenfalls die Legende, und wenn sie stimmt, ist das eine pfiffige Meisterleistung.

Nun liegt also genau dieses in den USA aufgenommene neue Locas In Love-Album vor, es wird auf dem seit langem verbündeten Kölner Label Sitzer veröffentlicht, genießt aber den Vorteil eines EMI-Vertriebs. Und wie gesagt, ich habe mich ja eigentlich noch nie so richtig für Gitarrenpop aus Köln interessiert. Aber ich muss schreiben, dass mich „Saurus“ nicht nur positiv überrascht, sondern geradezu umgehauen hat. Ich habe schon lange kein Album mehr gehört, das trotz einer selbstauferlegten strukturellen Limitiertheit vor allem wegen seiner naiv-unbekümmerten Experimentierfreude mit Unmengen von Instrumenten so seelenvoll klingt. Die Songs auf „Saurus“ sind einfach, die Texte allerhöchstens sehr unterschwellig dramatisch, eher von Poplyrik-Konventionen abgewandt. Aber trotzdem ist jedes Stück auf dieser Platte in sich so stimmig, und alle zusammen fügen sich wundervoll passend zu einer Platte zusammen. Ich glaube und kann verstehen, dass Fans von beispielsweise klassischer Britpop-Ästhetik bei Sätzen wie „Es war Mabuse, er benutzte mein Gehirn“ mit dem Kopf schütteln. Solche Sätze sind halt nicht für jeden, genauso wie die Zweitband Karpatenhund nicht für mich und deshalb ziemlich uninteressant ist. Aber Texte wie die auf „Saurus“ sind für mich, und für mich sind sie genau richtig. Locas In Love haben wirklich alles Potenzial aus ihrer Lofi-Ästhetik herausgeholt, haben zwölf tolle Songs geschrieben, sie haben sich selbst ausgedrückt, und sie decken Stück für Stück die verschiedensten Emotionen auf der Klaviatur des Lebens ab. Klingt ein wenig blumig, was? Ich weiß es aber nicht besser. Auf jeden Fall glaube ich nicht, dass ich mich zuvor immer in dieser Band getäuscht habe. Richtig ist, dass ihnen mit „Saurus“ ein Quantensprung gelungen ist, den ich ihnen nicht zugetraut hätte.

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Datum: 09.02.2007, 03:30 Uhr

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