Tomte - Buchstaben über der Stadt [Grand Hotel van Cleef / Indigo]
Manche Dinge sind unmöglich aufzuhalten. Die Band Tomte gehört offenbar dazu. Ihr ja wirklich überraschend gutes letztes Album "Hinter all diesen Fenstern", ihre busenfreundschaftlichen Beziehungen zu den Chefetagen der einschlägigen Magazine Spex und Intro und der Aufstieg des Labels Grand Hotel van Cleef, auf dem sich ja auch die mit ihrem letzten Album ähnlich erfolgreichen Deutschrocker Kettcar tummeln, legten den unverrückbaren Grundstein für weiter gehenden kommerziellen Erfolg. Bei dieser Konstellation konnten sie mit ihrem neuen Album auftischen, was immer sie wollten - in höchste Höhen gehoben und dementsprechend oft gekauft würde es ohnehin werden. Amazon.de-Verkaufsrang 1 hatte es dann auch schon Anfang der Woche erreicht.

Tomte und Kettcar nun tauschen all das gegen eine gefühlsduselig-bierselige Kumpelhaftigkeit, live auch gerne mal offensives Proletentum. Was einmal Hamburger Schule war, ist jetzt nur noch Gitarrenrock mit deutschen Texten. Das ist leider ziemlich wenig. Es trifft nämlich auch auf die Sportfreunde Stiller oder Die Toten Hosen zu. So bringt man es in Deutschland zum Stadionrock.
Dafür genügt aus den anfangs angeführten Gründen im Falle Tomte auch ein bestenfalls mittelmäßiges Album. Weder ist es originell, noch weist es Brüche auf, die es interessant zu machen vermöchten. Die Musik ist solide, aber öde. Weichgespülte, beliebige Indiegitarren säuseln sich durch altbekannte Songstrukturen. Textlich werden Gefühls- und Bedeutungsschwangerschaft vorgebende Sätze unzusammmenhängend aneinandergereiht, deren Vokale Thees Uhlmann voller Pathos, aber stimmvolumenlos wie eh und jeh in unerträgliche Längen dehnt. Was auf "Hinter all diesen Fenstern" noch zu bewegen vermochte, wird hier nur in unbestimmte Allgemeinplattheiten und Sehen-Gehen-Verstehen-Reime gegossen. Begossener-Uhlmann-Lyrik, die ach so authentisch daherkommen will, plätschert uninspiriert dahin und klingt wie mehrfach aufgewärmt.
Ein Lied heißt vielversprechend "New York", hat dafür aber nur die furchtbare Umschreibung "Stadt mit Loch" zu bieten. Nicht schlecht getroffen ist die Essenz des Albums in den Zeilen "Wenn Du singst bis die Lunge blutet, darüber wie du dich fühlst." Mehr hat es tatsächlich nicht zu bieten: Emotionscredibility heischende Bewegtheitsduselei und fürchterliche Metaphern. Nichts könnte langweiliger sein.
Einen guten Eindruck von der Inhaltsleere und Ausdrucksarmut der Platte erhält man auch, wider Willen, beim Lesen der Presseinfo (gemeint ist die von Simon Raß, nicht die von Sven Regener). Sie sagt nämlich auch nichts und drückt das auch noch schlecht aus. Ich unterlasse es, daraus zu zitieren, man kann sie auf der Tomte Homepage in der Rubrik "Info" lesen.
Wer diese Art von Musik mag, sollte sich lieber die letzte Wir sind Helden Platte anhören, die haben wenigstens etwas zu sagen, Sprachgefühl und Ideen.
Links zum Thema:
Tomte
Hamburger Schule
Wir sind Helden
Grand Hotel van Cleef
Datum: 03.02.2006, 17:45 Uhr
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